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Version [20597]

Dies ist eine alte Version von FallVerwRVuchsAG erstellt von MGreshake am 2013-02-02 15:14:31.

 

§ 80 V VwGO



Fall


Das Versicherungsunternehmen Vuchs AG hat von der zuständigen Bauaufsichtsbehörde die Genehmigung zum Bau eines siebenstöckigen Bürokomplexes erhalten. In diesem Gebäude sollen 200 Mitarbeiter beschäftigt werden. Das 800 Quadratmeter große Baugrundstück liegt in einer Baulücke. Ein Bebauungsplan existiert nicht. Die benachbarten Grundstücke sind ausschließlich mit einstöckigen Einfamilienhäusern bebaut. Im gesamten Baublock gibt es nur einstöckige Bauten. Nachbar Norbert N ist Eigentümer eines angrenzenden Einfamilienhausgrundstückes. N war im Baugenehmigungsverfahren von der Behörde beteiligt worden. Allerdings konnte er sich im Verfahren nicht mit seinen Bedenken durchsetzen.


Frage 1: N legt Widerspruch ein. Was erreicht er damit? Was nicht?


Frage 2: Hätte ein Antrag des N auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beim zuständigen Verwaltungsgericht gemäß § 80 V VwGO Aussicht auf Erfolg?





Frage 1:


N kann Widerspruch gemäß §§ 68 ff. VwGO einlegen und so die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage schaffen. Der Widerspruch hat jedoch gemäß § 212 a BauGB keine aufschiebende Wirkung. Dies bedeutet, dass er damit keinen Baustopp erreichen kann. N ist allein mit diesem Rechtsmittel nicht geholfen.
Verlässt N sich nur auf diese regulären Rechtsmittel, so muss er befürchten, dass der Bau während des Streitverfahrens beendet wird. Dadurch würden vollendete, kaum wieder rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen.




Frage 2:


Der Antrag gemäß § 80 V 1 VwGO hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist.


A. Zulässigkeit



1. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 Abs. 1 VwGO)


Hinweis: Hier seht ihr nur die Subsumtion! In der Klausur müsst ihr wie immer zuerst die VSS nennen, dann definieren und dann erst subsumieren!!! Wichtig!! (Bsp. Für Ausformulierung siehe Lösung 7)

- keine Zuweisung an ein anderes Gericht (+)

- öffentlich-rechtliche Streitigkeit: Die streitentscheidenden Normen sind solche des Baurechts. Das Baurecht ist Teil des öffentlichen Rechts und berechtigt und verpflichtet einen Hoheitsträger, Baugenehmigungen zu erlassen oder zu versagen. (+)

- nichtverfassungsrechtlicher Art: N und Bauaufsichtsbehörde sind keine Verfassungsorgane; sie streiten nicht um Verfassungsrecht (+)


2. Statthaftigkeit des Antrags


a) Vorliegen eines Verwaltungsakts (§ 35 VwVfG)

Hier: Begehren des N richtet sich auf die Aufhebung der der V-AG erteilten Baugenehmigung. Die Baugenehmigung ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S.1 VwVfG. Der Verwaltungsakt müsste auch:

aa) sofort vollziehbar gemäß § 212 a BauGB (+)
bb) nicht bestandskräftig; kann noch angefochten werden (+)
cc) nicht erledigt; von dem VA geht noch Regelungswirkung aus (+)

b) Es muss ein Rechtsbehelf in der Hauptsache eingelegt sein; N legt Widerspruch ein (+)

c) Abgrenzung nach § 123 V VwGO; in der Hauptsache Anfechtungsklage (+)

Gemäß §§ 80 I 2, 80 a I, III VwGO kann N als Dritter einen Antrag nach § 80 V VwGO stellen, sodass sein Antrag insgesamt statthaft ist.


3. Antragsbefugnis § 42 II VwGO analog


Klagebefugnis hinsichtlich des Hauptsache-VA: N muss geltend machen, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Dies muss auch möglich sein.

a) Durch die Einlegung des Widerspruchs macht N geltend, in eigenen Rechten verletzt zu sein.

b) Fraglich ist, ob eine Rechtsverletzung des N überhaupt möglich ist. N ist nicht der Adressat des Verwaltungsakts, sondern er ist Dritter im Sinne des § 80 a I VwGO. Nach der Schutznormtheorie kann eine Rechtsverletzung eines Dritten vorliegen, wenn gegen eine Norm verstoßen wurde, die nicht nur Allgemeinheit schützt, sondern zumindest auch den Interessen des Dritten zu dienen bestimmt ist.

Das Baugrundstück liegt im Innenbereich im Sinne des § 34 I BauGB. Möglicherweise verstößt das Vorhaben gegen die Voraussetzungen des § 34 I BauGB. Fraglich ist aber, ob § 34 I BauGB überhaupt drittschützenden Charakter hat. Nach dem Wortlaut des § 34 I BauGB sollen sich Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. Aus dem Erfordernis des Einfügens wird die Geltung des Rücksichtnahmegebots hergeleitet. Es besteht ein nachbarrechtlicher Abwehranspruch, wenn die gegebene Grundstückssituation nachhaltig verändert wird und dadurch der Nachbar schwer und unerträglich getroffen wird. Das Rücksichtnahmeegbot dient gerade den Interessen der Nachbarschaft, somit auch den Interessen des N als Nachbarn.

Es besteht folglich die Möglichkeit, dass N durch die Verletzung des Rücksichtnahmegebots in seinen Rechten verletzt ist. Die Antragsbefugnis des N gemäß § 42 II VwGO analog ist gegeben.


4. Rechtsschutzbedürfnis


Die Behörde hat von der Vollziehung nicht deutlich erklärt abgesehen. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben.



B. Begründetheit


Der Antrag gemäß §§ 80 a III 2, 80 V VwGO ist begründet, wenn er gegen den richtigen Antragsgegner gerichtet ist und eine summarische Prüfung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen ein überwiegendes Interesse des N an der aufschiebenden Wirkung ergibt.


I. Richter Antragsgegner


Richter Antragsgegner ist gemäß § 78 I Nr.1 VwGO der Rechtsträger der Bauaufsichtsbehörde.


II. Summarische Prüfung


Eine summarische Prüfung ergibt jedenfalls dann ein überwiegendes Interesse des N an der aufschiebenden Wirkung, wenn der zugrunde liegende Verwaltungsakt, hier die Genehmigung zum Bau des Geschäftshauses, offensichtlich rechtswidrig ist.


1. Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung

a) EGL § 7 LBauO: Die Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind. (Diesbezüglich sind auch die §§ 29 ff. BauGB, insb. § 34 BauGB zu prüfen.)

b) Formelle Rechtmäßigkeit (+)

c) Materielle Rechtmäßigkeit (-)
Hinweis: Die Prüfung ist hier eigentlich etwas komplexer, aber reines Baurecht. Damit will ich euch hier nicht nerven. Falls so etwas drankommen sollte, wären die Normen auch sicherlich abgedruckt.

Der Bau eines siebenstöckigen Bürokomplexes, in dem 200 Mitarbeiter beschäftigt werden sollen, auf einem mit 800 qm relativ kleinem Grundstück, in einer ausschließlich durch eingeschossige Einfamilienhausbebauung geprägten Umgebung, fügt sich nicht ein, sodass ein Verstoß gegen § 34 I BauGB vorliegt. Es liegt eine unzumutbare Beeinträchtigung der Grundstückssituation des N vor. Die Baugenehmigung ist mithin nicht materiell rechtmäßig.


2. Zwischenergebnis

N ist durch den Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme in seinen Rechten verletzt. Die Genehmigung ist offensichtlich rechtswidrig. Die summarische Prüfung ergibt somit ein überwiegendes Interesse des N an der aufschiebenden Wirkung.


III. Ergebnis


Der Antrag des N ist mithin begründet.



C. Gesamtergebnis


Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist zulässig und begründet. Er hat somit Aussicht auf Erfolg.
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