Version [20859]
Dies ist eine alte Version von FallVerwRSkripten erstellt von AnnegretMordhorst am 2013-02-19 16:32:03.
Anfechtungsklage
Student J hat sich während seiner Studienzeit stets über das schlechte Lehrmaterial für das Fach Verwaltungsrecht geärgert. Er hat daher aus seinen Mitschriften der Vorlesung und den besprochenen Fällen in den Tutorien ein Skript zusammengestellt. Nachdem J erfolgreich sein Studium abgeschlossen hat, entschließt er sich, sein Skript „ an den Mann zu bringen“. Er möchte Geld verdienen, lässt sein Skript in hundertfacher Ausführung drucken und vertreibt es über das Internet. Kurze Zeit später schwärzt ihn ein Student beim Gewerbeamt an, da dieser in dem Skript einen Fehler entdeckt hat. Am 13.2.2009 wird J ein Bescheid der zuständigen Behörde zugestellt. In dem Bescheid wird angeführt, dass J den Verkauf des Skripts sofort einzustellen habe. Ihm fehle die dafür erforderliche Erlaubnis. Außerdem besitze er nicht die für den Betrieb eines Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit. J ist entrüstet und erhebt Widerspruch. Der Widerspruch wird von der Widerspruchsbehörde mit einem Schreiben, dass J am 18.3.2009 zugestellt wird, als verspätet zurückgewiesen. Daraufhin reicht J am Montag, den 20.4.2009 beim Gewerbeamt eine Klage gegen den Bescheid ein.
Frage: Hat die Klage Aussicht auf Erfolg?
Hinweis: Es handelt sich vorliegend um ein erlaubnisfreies Gewerbe. § 15 Abs. 2 GewO ist vorliegend keine passende Befugnisnorm.
§ 35 I GewO: (1) Die Ausübung eines Gewerbes ist von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist..
Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.
I. Zulässigkeit
1. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO
- keine Zuweisung an ein anderes Gericht (+)
- ö-r. Str.: § 35 GewO ist ö.-r. Norm die eine Behörde berechtigt und verpflichtet (+)
- nichtverfrechtl. Art: J und Behörde sind keine Verfassungsorgane und streiten auch nicht um Verfassungsrecht (+)
2. Statthafte (richtige) Klageart § 42 Abs. 1 VwGO
§ 88 VwGO: Was wird begehrt?
- Aufhebung des Bescheids
- Bescheid ist VA im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG
- Anfechtungsklage ist somit statthaft (+)
3. Klagebefugnis § 42 Abs. 2 VwGO
- Behauptung des J (+)
- Verletzung möglich? Adressatentheorie Art. 2 abs. 1 GG (+)
4. Partei- und Prozessfähigkeit § 61 VwGO, § 62 VwGO
J: § 61 Nr.1 Alt.1 VwGO; § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (+)
Behörde: § 61 Nr.3 VwGO; § 62 III VwGO (+)
5. Ordnungsgemäße Durchführung Vorverfahren § 68 Abs. 1 VwGO
- Widerspruch wird als verspätet zurückgewiesen. J hat also Frist des § 70 VwGO ggf. nicht gewahrt. (-)
- Falls Frist doch gewahrt wurde, fehlt es hier aber an einer Begründung § 73 Abs. 3 VwGO. Das kann aber jedenfalls nicht zu Lasten des J gehen.
6. Klagefrist § 74 VwGO
- § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB, § 188 Abs. 2 BGB: 1 Monat
- 18. 3. Zugestellt - Frist beginnt am 19.3. 00:00 Uhr - Endet am 18.4. 24:00 Uhr. - 18.4. ist ein Samstag - 20.4. 24:00 Uhr Fristende - daher grds. noch fristgerecht, ABER: Innerhalb der Frist muss Klage beim zuständigen Gericht eingehen! J reicht Klage beim Gewerbeamt ein. Dies genügt für die Fristwahrung nicht! - § 74 VwGO (-)
7. Ergebnis
Zulässigkeit (-)
II. Begründetheit
Obersatz: Hinweis auf § 1113 Abs. 1 S. 1 VwGO
1. Richtiger Klagegegner § 78 VwGO
- § 78 I Nr.1 VwGO
2. Rechtswidrigkeit angegriffener VA
a) Ermächtigungsgrundlage/Rechtsgrundlage
§ 35 Abs. 1 GewO (+)
b) Formelle Rechtmäßigkeit
- Zuständigkeit (+)
- Verfahren: Anhörung § 28 Abs. 1 VwVfG? (-) aber Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr.3 VwVfG durch Widerspruch (+)
- Form (+)
c) Materielle Rechtmäßigkeit
aa) Gewerbe: erlaubte, dauerhafte, selbstständige Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht unter Ausschluss der freien Berufe
Hier: Gewerbe des J (+)bb) Unzuverlässigkeit?
- Unzuverlässig, wenn das Gewerbe nicht ordnungsgemäß betrieben wird- hier ggf. durch Fehler in Skripten
- Ein paar Fehler in einem Skript begründen nicht, dass Gewerbe nicht ordnungsgemäß betrieben wird
- Also: Unzuverlässigkeit (-)
cc) Zwischenergebnis: MRMK (-)
d) Zwischenergebnis:
Rechtswidrigkeit des angegriffenen VAs (+)3. Rechtsverletzung
J wird in seiner Gewerbefreiheit, § 1 Abs. 1 GewO, verletzt.
4. Zwischenergebnis
Begründetheit (+)
III. Ergebnis
Gesamtergebnis: Zwar begründet, aber nicht zulässig. Die Klage hat somit keine Aussicht auf Erfolg.
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