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Version [20615]

Dies ist eine alte Version von FallVerwRGaestetoiletten erstellt von MGreshake am 2013-02-03 17:59:58.

 

Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt


Fall

G, der eine Gaststätte eröffnen möchte, erhält auf seinen Antrag eine Gaststättenerlaubnis. In einer Nebenbestimmung zu der Erlaubnis wird bestimmt, dass er drei Gästetoiletten bereitstellen muss. Die zuständige Stadt S führt an, dies sei bei 70 Sitzplätzen in der Gaststätte erforderlich. In einer aufgrund § 4 III GastG erlassenen Rechtsverordnung der Landesregierung ist für Gaststätten bei einer Sitzplatzzahl von 40 bis 75 die Bereitstellung von zwei Toiletten vorgesehen. G hält dagegen eine Toilette für völlig ausreichend.

Frage 1: Ist die Nebenbestimmung rechtmäßig?

Frage 2: Wäre eine Aufhebung der Nebenbestimmung im Falle der Rechtswidrigkeit möglich? Ist in allen Fällen rechtswidriger echter Nebenbestimmungen die isolierte Aufhebung möglich?



Auszug aus dem Gaststättengesetz: § 4 Versagungsgründe
(1) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

2.
die zum Betrieb des Gewerbes oder zum Aufenthalt der Beschäftigten bestimmten Räume wegen ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung oder Einteilung für den Betrieb nicht geeignet sind, insbesondere den notwendigen Anforderungen zum Schutze der Gäste und der Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder den sonst zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung notwendigen Anforderungen nicht genügen


(3) Die Landesregierungen können zur Durchführung des Absatzes 1 Nr. 2 durch Rechtsverordnung die Mindestanforderungen bestimmen, die an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume im Hinblick auf die jeweilige Betriebsart und Art der zugelassenen Getränke oder Speisen zu stellen sind. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung
a)
zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2a Mindestanforderungen bestimmen, die mit dem Ziel der Herstellung von Barrierefreiheit an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume zu stellen sind, und
b)
zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 2 die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Falles der Unzumutbarkeit festlegen.
Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die Ermächtigung auf oberste Landesbehörden übertragen.





Frage 1: Ist die Nebenbestimmung rechtmäßig?


Fraglich ist, ob die Nebenbestimmung, dass G zur Herstellung von drei Gästetoiletten verpflichtet ist, rechtmäßig ist. Sie ist rechtmäßig, wenn eine Rechtsgrundlage besteht und die formellen und materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen gegeben sind.


1. Rechtsgrundlage der Nebenbestimmung


Im Gaststättengesetz ist keine Sondervorschrift für Nebenbestimmungen enthalten. Die Rechtsgrundlage für die Nebenbestimmung ist § 36 VwVfG. Dieser enthält in Absatz 1 eine Rechtsgrundlage für Nebenbestimmungen zu einem Verwaltungsakt, „auf den ein Anspruch besteht“. Absatz 2 gilt für Ermessensverwaltungsakte und sieht vor, dass Nebenbestimmungen zu diesen ebenfalls im Ermessen der Behörde stehen. § 36 I VwVfG gilt demgegenüber stets bei sogenannter gebundener Verwaltung, das heißt dann, wenn der Verwaltungsakt nicht im Ermessen der Behörde steht. Für die Anwendbarkeit des § 36 I VwVfG kommt es daher nicht darauf an, ob im konkreten Fall ein Anspruch auf den Verwaltungsakt besteht, sondern allein darauf, ob es sich um eine Ermessensverwaltung oder gebundene Verwaltung handelt.
§ 4 I S.1 GastG sieht vor, dass die Erlaubnis zu erteilen ist, wenn keine Versagungsgründe vorliegen. Ein Ermessen ist nicht vorgesehen und wäre auch nicht mit der in Art. 12 I GG verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit vereinbar. Es liegt daher gebundene Verwaltung vor. Rechtsgrundlage für die Nebenbestimmung ist hier § 36 I VwVfG.


2. Formelle Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmung


Die Stadt ist laut Sachverhalt zuständig. Formfehler sind nicht ersichtlich. Möglicherweise fehlt es an einer ordnungsgemäßen Anhörung gemäß § 28 I VwVfG. Diese kann aber jedenfalls gemäß § 45 I Nr.3 VwVfG nachgeholt werden. Die Nebenbestimmung ist insoweit formell rechtmäßig.


3. Materielle Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmung


Die Nebenbestimmung müsste auch materiell rechtmäßig sein. § 36 I VwVfG enthält zwei Alternativen, in denen Nebenbestimmungen bei gebundener Verwaltung rechtmäßig sein können. Zum einen, dass sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Dies ist hier nicht der Fall, denn das GastG enthält keine besonderen Regelungen über Nebenbestimmungen.

Zum anderen ist eine Nebenbestimmung gemäß § 36 I VwVfG zulässig zur Sicherstellung der gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts.
Die gesetzlichen Voraussetzungen ergeben sich aus dem jeweiligen Fachgesetz, hier aus dem GastG. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Gaststättenerlaubnis sind insbesondere in § 4 GastG normiert. Dabei ist gemäß § 4 I Nr.2 GastG Voraussetzung, dass die zum Betrieb des Gewerbes bestimmten Räume hinsichtlich ihrer Ausstattung geeignet sind. Dazu zählen auch Gästetoiletten.

Fraglich ist, wie viele Toiletten erforderlich sind, damit die Ausstattung der Räume geeignet ist. Diese Frage ist in der Rechtsverordnung der Landesregierung aufgrund § 4 III GastG geregelt.

Diese Rechtsverordnung müsste wirksam sein. Ermächtigungsgrundlage ist § 4 III GastG. Gegen die formelle Rechtmäßigkeit bestehen keine Bedenken. Ebenso ist die Rechtsverordnung auch materiell rechtmäßig, denn gegen die hier relevante Bestimmung von zwei Toiletten bei 40 bis 75 Sitzplätzen ist nichts einzuwenden.
Sind demnach die Voraussetzungen für die Erteilung der Gaststättenerlaubnis wirksam geregelt, so ist es der Behörde verwehrt, darüber hinausgehende Anforderungen zu stellen. Die Anforderungen sind in § 4 GastG und der Rechtsverordnung abschließend geregelt.
Die Nebenbestimmung über die bereitzustellenden Toiletten ist daher nicht zur Sicherung der gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts ergangen, soweit die Bereitstellung von mehr als zwei Toiletten verlangt wird. Insoweit erfüllt die Nebenbestimmung nicht § 36 I Alt.2 VwVfG. Sie ist insoweit rechtswidrig.


4. Ergebnis


Soweit die Bereitstellung von zwei Toiletten verlangt wird, ist die Nebenbestimmung rechtmäßig.




Frage 2: Wäre eine Aufhebung der Nebenbestimmung im Falle der Rechtswidrigkeit möglich? Ist in allen Fällen rechtswidriger echter Nebenbestimmungen die isolierte Aufhebung möglich?


• Eine Aufhebung durch das Gericht oder durch die Behörde ist möglich. Jeder VA ist teilbar, sodass auch „nur“ die Nebenbestimmung oder nur ein Teil der Nebenbestimmung aufgehoben werden kann (Durchsetzbar durch eine Anfechtungsklage); Arg. § 113 I VwGO.

• P1: Hauptregelung ist Ermessensentscheidung und es steht fest, dass die Behörde den VA ohne die Nebenbestimmung nicht erlassen hätte: Das was nach der isolierten Aufhebung bleiben würde, wäre nicht von der Behörde gewollt. Das darf nicht sein. Somit eine isolierte Aufhebung durch das Gericht hier nicht möglich (Str.! Denn als Gegenargument kann angeführt werden: § 49 II Nr.2 VwVfG: Behörde kann ganzen VA dann aufheben)

• P2: Durch die Aufhebung der Nebenbestimmung wird der gesamte VA rechtswidrig. In diesem Fall soll eine isolierte Aufhebung durch das Gericht nicht möglich sein. (Str! Denn als Gegenargument können wieder die §§ 48,49 VwVfG angeführt werden! Es kann zudem eine neue Nebenbestimmung erlassen werden.)



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