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Fallbeispiele Handelsgeschäfte
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Fall 1B betreibt eine große Bäckerei mit mehreren Filialen in ganz Münster. Um seine Backwaren auszuliefern, besitzt er einen Transport-Pkw. Diesen benutzt er ab und zu auch für private Fahrten. Nach einigen Jahren verkauft er den Wagen an den Catering-Anbieter C, um das Geld in einen neuen Wagen zu investieren. Nach einem Monat stellt C einen von anfänglichen, nicht behebbaren Mangel fest und möchte deshalb den Kaufpreis mindern. Kann er gegenüber B sein Minderungsrecht geltend machen? |
Lösungsskizze Fall 1
Formulierungsvorschlag Fall 1
C könnte ein Minderungsrecht aus §§ 437 Nr. 2 Alt. 2, 434, 441 Abs. 1 BGB haben bzw. wegen §§ 441 Abs. 4 i.V.m. 346 Abs. 1 BGB den zuviel gezahlten Kaufpreis zurückverlangen. 1. Ein Kaufvertrag wurde wirksam zwischen C und B geschlossen, es lag auch ein Mangel bei Gefahrübergang vor. Dieser könnte aber wegen der Genehmigungsfiktion des § 377 Abs. 2 HGB unerheblich sein. C hat den Wagen nicht nach Erhalt untersucht und deshalb den erkennbaren Mangel nicht entdeckt und unverzüglich bei B gerügt. Allerdings müsste für beide Seiten ein Handelskauf vorliegen, also der Kauf ein beidseitiges Handelsgeschäft nach § 343 HGB sein. Danach sind Handelsgeschäfte alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören. a) Handelsgeschäft für B B ist Inhaber einer großen Bäckerei mit mehreren Filialen, so dass er gem. § 1 Abs. 1, 2 HGB Kaufmann ist. Der Kauf müsste dann auch zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören. Das Handelsgrundgeschäft (Geschäft, welches den Gegenstand des Unternehmens ausmacht) ist die Erzeugung und der Verkauf von Backwaren. Darunter fällt nicht der Verkauf des Transporters an Dritte. Der Verkauf ist auch nicht für die Errichtung, Fortführung oder Beendigung des Unternehmens förderlich und stellt deshalb kein Handelshilfsgeschäft dar. Allerdings sind auch solche Geschäfte erfasst, die der Kaufmann nur bei Gelegenheit seines eigentlich auf andere Gegenstände gerichteten Betriebs tätigt, sog. Handelsnebengeschäfte. Hierzu gehört auch der Verkauf eines betrieblich genutzten Wagens, insbesondere wenn der Erlös wieder in das Unternehmen investiert werden soll. Fraglich ist lediglich, wie die auch private Nutzung zu beurteilen ist. Es ist nicht eindeutig zu klären, ob B als Privater oder als Kaufmann handelt. Die Nutzung des Erlöses zum Neukauf eines Transporters spricht für die Betriebszugehörigkeit des Geschäfts, ebenso die Charakterisierung des Wagens als Transporter. Jedenfalls enthält § 344 Abs.1 HGB die Vermutung, dass in solchen Zweifelsfällen Geschäfte eines Kaufmanns zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören. Daher liegt für B ein Handelgeschäft vor. b) Handelsgeschäft für C Bei dem C ist der Umfang des Gewerbes nicht bekannt, allerdings bringt er nichts vor, um die Widerlegung der Vermutung in § 1 Abs. 2 HGB zu bewirken. Daher ist auch er Kaufmann. Er braucht als Caterer den Wagen, um Waren und Essen zu transportieren. Somit liegt in dem Kauf zumindest ein Handelsnebengeschäft (Ermöglichung der Unternehmensfortführung), eventuell sogar ein Handelsgrundgeschäft, da er zur Erfüllung seiner unternehmerischen Tätigkeit auf Transportmittel angewiesen ist. Auch hier ist somit ein Handelsgeschäft gegeben. c) Ergebnis Es liegt ein beidseitiger Handelskauf vor. Da C den erkennbaren Mangel nicht unverzüglich gerügt hat, gilt der Mangel wegen § 377 Abs. 2 HGB als genehmigt, er ist also nicht mehr geeignet, die in § 437 BGB genannten Rechte zu begründen. C kann daher keine Mängelrechte geltend machen und den Kaufpreis somit nicht mindern. |
Fall 2Der Freund F des Bäcker B möchte sich ein Haus bauen lassen. Da er der Bank für ihr Darlehen nicht genügend Sicherheiten anbieten kann, bittet er den B für ihn zu bürgen. B ruft daher bei der Bank an und sagt, er bürge für den F. Als F die Zahlungen an die B nicht mehr leisten kann und die anderen Sicherungen erschöpft sind, möchte die Bank den B als Bürgen in Anspruch nehmen. Geht das? |
Formulierungsvorschlag Fall 2Die Bank kann den B als Bürgen gem. § 765 BGB in Anspruch nehmen, wenn ein wirksamer Bürgschaftsvertrag geschlossen wurde. Dieser bedarf grundsätzlich der Schriftform, §§ 766 S. 1, 126 Abs. 1 BGB. Auf Grund der mündlichen Erklärung des B könnte daher der Vertrag wegen § 125 S. 1 BGB nichtig sein. Möglicherweise ist aber wegen § 350 HGB die Schriftform nicht einzuhalten, so dass der Vertrag formlos geschlossen werden kann und daher wirksam ist. Dann müsste die Bürgschaft ein Handelsgeschäft sein. Hier tut B seinem Freund F nur einen Gefallen, der nichts mit dem Betrieb der Bäckerei zu tun hat. Es fehlt damit an der Zugehörigkeit zum Betrieb des Handelsgewerbes. Anders könnte dies allenfalls sein, wenn die Bürgschaft für einen Geschäftspartner des B abgegeben wird, so dass dieser einen finanziellen Engpass überstehen kann und dem B dadurch als Vertragspartner erhalten bleibt, denn dann will B ja gerade die Fortführung der Handelsgeschäfte sichern. Mangels des Vorliegens eines Handelsgeschäfts findet § 350 HGB keine Anwendung, der Bürgschaftsvertrag ist daher wegen §§ 766 S.1, 126 Abs. 1, 125 S. 1 BGB nichtig. Die Bank kann den B nicht in Anspruch nehmen. |
Fall 3Tante Emma (E), die einen größeren Gemischtwarenladen betreibt verhandelt am Telefon mit ihrem großen Lebensmittellieferanten L. E will 100 Dosen „Thunfisch in Öl“ bestellen. Dieser ist damit einverstanden und sendet noch am gleichen Tag ein Fax, in dem er den Verkauf von 100 Dosen “Thunfisch ohne Öl“ bestätigt, weil er davon ausgeht, dies sei tatsächlich vereinbart worden. E übersieht die Abweichung und reagiert nicht. Als L zwei Tage später liefert, verweigert E die Annahme und besteht auf erneuter Lieferung der Dosen „Thunfisch in Öl“. Zu Recht? |
Formulierungsvorschlag Fall 3E kann von L „Thunfisch in Öl“ verlangen, wenn darüber ein Kaufvertrag mit L zustande gekommen ist. Dafür sind nach §§ 145 ff. BGB zwei korrespondierende Willenserklärungen der Parteien (Angebot und Annahme) erforderlich. a) Angebot der E E gibt ein Angebot zum Kaufvertrag mit dem Inhalt „Thunfisch in Öl“ ab. Dies ist ein wirksames Angebot. b) Annahme der L L erklärt, einverstanden zu sein. Damit nimmt er das Angebot an. c) Wirkung des Schreibens der E Das Schreiben der E könnte aber ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben sein, sodass das Schweigen des L bewirkt, dass ein Vertrag mit den Bedingungen entstanden ist, die im Bestätigungsschreiben genannt werden. aa) Rechtsgrundlage Das kaufmännische Bestätigungsschreiben ist prinzipiell ein Handelsbrauch (§ 346 HGB), der dem gerade im Handelsrecht bestehenden Bedürfnis nach Schnelligkeit und Klarheit Rechnung trägt. Heute ist er zudem gewohnheitsrechtlich anerkannt. bb) Anwendungsbereich Der Empfänger muss nicht zwingend Kaufmann sein, es reicht, dass er ähnlich wie ein Kaufmann am Geschäftsleben teilnimmt und zu erwarten ist, dass er nach kaufmännischer Sitte verfährt (also insbesondere auf Schreiben antwortet). Bei E greift die Vermutung des § 1 Abs. 2 HGB; zumindest nimmt sie aber in größerem Umfang und damit wie ein Kaufmann am Geschäftsleben teil. Der Versender eines Bestätigungsschreibens ist weniger schutzwürdig, da ihn keine Obliegenheitspflichten treffen. Z.T. wird aber gesagt, nur jemand, der wie ein Kaufmann am Geschäftleben teilnimmt, kann von der Beachtung von Handelsbräuchen durch den Empfänger ausgehen. L ist großer Lebensmittellieferant, sodass er bereits nach § 1 Abs. 2 HGB Kaufmann ist. cc) Vorausgehen von Vertragsverhandlungen Zwischen E und L waren Verhandlungen vorausgegangen. L ging auch (zu Recht) von einem wirksamen Vertrag aus. dd) Eindeutige und endgültige Wiedergabe des (vermeintlichen) Vertragsschlusses In dem Schreiben gibt L den seiner Meinung nach vereinbarten Vertragsinhalt eindeutig wieder. Das Schreiben ist auch endgültig, da es von einem vollwirksamen Vertrag ausgeht, für den weitere Verhandlungen nicht mehr notwendig sind. ee) Absenden unmittelbar nach Vertragsverhandlungen Das Schreiben wurde unmittelbar nach dem Telefonat verschickt, also unmittelbar nach den Verhandlungen, und ist der E auch zugegangen. ff) Gutgläubigkeit des L L kann nach Treu und Glauben nur auf das Schweigen vertrauen, wenn er von der Richtigkeit des Inhalts seines Schreibens ausgeht. L dachte, dass tatsächlich „Thunfisch ohne Öl“ vereinbart worden war, er war daher gutgläubig. Auch war die Abweichung nicht derart massiv, dass der Vertrag inhaltlich völlig verändert oder sinnlos wurde. gg) kein unverzüglicher Widerspruch E dürfte nicht unverzüglich widersprochen haben. Hier vergehen fünf Tage. Unverzüglich bedeutet „ohne schuldhaftes Zögern“, § 121 Abs. 1 S. 1 BGB. Es kommt also im Einzelfall darauf an, wann der Widerspruch unter regelmäßigen Umständen zu erwarten ist. Bei einer Faxsendung ist auch eine Antwort per Fax zu erwarten. Jedenfalls sind fünf Tage zu lang (in jedem Fall ab einer Woche). Daher wurde nicht unverzüglich widersprochen. hh) Rechtsfolge Der Vertrag gilt als mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens zustande gekommen. d) Ergebnis E kann keine Lieferung von 100 Dosen „Thunfisch in Öl“ verlangen; L hat seine Pflicht aus § 433 Abs. 1 BGB erfüllt (§ 362 Abs.1 BGB). |
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