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Version [3858]

Dies ist eine alte Version von FallOhneTransportkostenBitte erstellt von WojciechLisiewicz am 2009-11-14 11:39:36.

 

Fall: Bestellung ohne Transportkosten


A. Sachverhalt
Geiz (G) will bei Schlau (S) Büromöbel bestellen. Nach einer telefonischen Verhandlung, in der verabredet wird, dass G dem S eine Bestellung per E-Mail sendet, schreibt G:

Bitte um Lieferung der Ausstattung für 5 Büroräume inkl. Bürostühle wie besprochen und in der Anlage aufgelistet. Preis 10.000 EUR inklusive Transport. Lieferung in meinen Geschäftsräumen bis 31.10.

S veranlasst eine Lieferung, bei der dem G auch eine Rechnung übergeben wird, in der neben dem Kaufpreis zusätzlich Transportkosten in Höhe von 500 EUR berechnet werden. G beachtet es erst nicht, nimmt Möbel in Empfang. Anschließend bezahlt er nur die Möbel unter Berufung darauf, dass seine Bestellung inklusive Transport war. S verlangt Zahlung der 500 EUR.

B. Frage
Wie ist die Rechtslage?


C. Musterlösung - Gruppe AB
S könnte gegen G einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i.H.d. verbleibenden 500 EUR gem. § 433 Abs. 2 BGB haben. Der Anspruch ist gegeben, wenn ihn S erworben und nicht verloren hat und dieser auch durchsetzbar ist. Anspruch ist erworben, wenn ein Vertrag geschlossen ist, der inhaltlich einen Kaufvertrag darstellt und dieser wirksam ist.

1. Vertragsschluss
In Betracht kommt hier ein Vertragsschluss durch Angebot und Annahme, §§ 145 ff. BGB. Der Vertragsschluss ist in diesem Fall gegeben, wenn zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen, d. h. Angebot und Annahme.

a. Angebot des G
Dadurch, dass G eine E-Mail mit allen Bestandteilen des beabsichtigten Vertrages an S geschrieben hat, hat er eine Willenserklärung abgegeben, die inhaltlich einen Antrag darstellt und die dem S laut Sachverhalt zugegangen ist.

b. Annahme durch S
S könnte das Angebot des G angenommen haben, indem er die Büroausstattung geliefert hat. Voraussetzung dafür wäre, dass eine Willenserklärung des S vorliegt, diese inhaltlich eine Annahme darstellt, durch S abgegeben wurde und dem G als Adressaten zugegangen ist.

Durch die Lieferung der Möbel hat S konkludent eine Erklärung abgegeben, dass er einen Vertrag über die Möbel will. Die aus der Lieferung folgende Erklärung des S stellte allerdings keine uneingeschränkte und unbedingte Annahme des Angebots von G dar. Damit liegt ein neues Angebot i.S.d. § 150 Abs. 2 BGB vor. Damit dieses neue Angebot zum Vertragsschluss führt, müsste es von dem anderen (ursprünglich Antragenden) angenommen werden, und zwar innerhalb der Bindungsfrist und eine Übereinstimmung müsste gegeben sein.

c. Annahme durch G
Durch den Empfang der Lieferung könnte G konkludent das neue Angebot des S angenommen haben. Voraussetzung dafür wäre, dass eine Willenserklärung des G vorliegt, diese inhaltlich eine Annahme darstellt, durch G abgegeben wurde und dem S als Adressaten zugegangen ist.

Eine ausdrückliche Erklärung seitens G liegt nicht vor. Er hat aber die Lieferung in Empfang genommen, ohne dass er der Rechnung widersprochen hat. Er hatte aber die Möglichkeit, Klärung des Sachverhaltes mit S herbeizuführen. Nach dem objektiven Empfängerhorizont bedeutet dies eine konkludente Willenserklärung mit dem Inhalt der Annahme.

Problematisch ist jedoch, ob G die (konkludente) Willenserklärung gegenüber dem S so abgegeben hat, dass sie ihm zugegangen ist. S hat nicht mitbekommen, wann die Lieferung bei G eingetroffen ist und erst später, dass G sie in Empfang genommen hat.

Nach § 151 BGB kommt der Vertrag durch Annahme jedoch auch dann zustande, wenn die Verkehrssitte keine Annahmeerklärung voraussetzt oder wenn der Antragende auf Annahme verzichtet hat. Da S hier die Möbel geliefert hat, erwartet er, dass diese nunmehr bezahlt werden. Es kommt für ihn nicht mehr darauf an, dass G ihm gegenüber die Annahme ausdrücklich erklärt. Damit hat S auf Annahmeerklärung verzichtet i.S.d. § 151 S.1 BGB.

Damit hat G das Angebot des S angenommen.

d. Übereinstimmung
Die Erklärungen stimmen überein, wenn sie sich inhaltlich decken, eindeutig sind und den Vertragsinhalt im notwendigen Umfang regeln.
Nach dem inneren Willen des G war keineswegs ein Vertrag "zuzüglich Transportkosten" beabsichtigt. Nach dem objektiven Erklärungsgehalt - G hat die Lieferung mit der Rechnung widerspruchslos akzeptiert - bedeutet das verhalten des G eine übereinstimmende Erklärung mit dem Angebot des S.
Die Erklärungen des G wie des S waren eindeutig. Darüber hinaus enthielten sie den notwendigen Umfang des Kaufvertrages.
Damit ist Übereinstimmung gegeben.

e. Zwischenergebnis
Zwischen G und S ist somit ein Vertrag zustande gekommen.

2. Vertragsinhalt
Nach dem vorliegenden Vertragsverhältnis ist von einem Kaufvertrag auszugehen. Da G die Transportkosten widerspruchslos zur Kenntnis genommen hat, umfasst dieser Vertrag auch die Pflicht, die Transportkosten neben dem eigentlichen Kaufpreis zu begleichen.

3. Wirksamkeit
Fraglich ist, ob der Vertrag wirksam ist. Hier könnte G gem. § 142 BGB den Vertrag anfechten...

(Fortsetzung folgt)
Die Anfechtung wäre im vorliegenden Fall noch zu prüfen, ist aber noch nicht Gegenstand der Musterlösung und wird zum späeteren Zeitpunkt ergänzt


4. (Gesamt)Ergebnis
...



D. Musterlösung - Gruppe CD
Es ist zu prüfen, ob S einen Anspruch darauf hat, von G Zahlung der Transportkosten i.H.v. 500 EUR zu verlangen. Dafür müsste ein Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB auf Zahlung des Kaufpreises gegeben sein.

S könnte gegen G einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises erworben haben. S hat den Anspruch erworben, wenn zwischen ihm und dem G ein Kaufvertrag geschlossen wurde und wirksam ist.

1. Vertragsschluss
Ein Vertrag kann durch Angebot und Annahme gem. §§ 145 ff. BGB zustande kommen. Dafür müsste auf der einen Seite ein Angebot gemacht werden, auf der anderen Seite müsste eine Annahme zu einem Zeitpunkt gegeben sein, in dem der Antragende an das Angebot gebunden ist und die Erklärungen müssten übereinstimmen.

a. Angebot seitens G
Dadurch, dass G dem S eine Nachricht zukommen ließ, könnte seinerseits ein Angebot erklärt worden sein. Ein Angebot ist eine Willenserklärung, die inhaltlich einen Antrag (ein Angebot) i.S.d. §§ 145 ff. BGB darstellt, dem Adressaten gegenüber abgegeben worden und ihm zugegangen ist. G hat seinem Willen, Möbel im Wert von 10.000 EUR inkl. Transportkosten zu erwerben, Ausdruck gegeben, indem er eine E-Mail an S geschrieben hat. Darin liegt eine Willenserklärung seitens G vor. In der E-Mail sind inhaltlich alle vertragsrelevanten Punkte festgehalten worden, so dass sie inhaltlich ein Angebot darstellt. Durch die E-Mail ist ein Angebot abgegeben. Dem S ist die E-Mail auch zugegangen.
Damit hat G ein gültiges Angebot abgegeben.

b. Annahme
Desweiteren ist zu prüfen, ob S das Angebot von G angenommen hat. S hat die Büroausstattung an G geliefert. Darin könnte eine Annahme bestehen. Dafür ist eine Willenserklärung notwendig, die inhaltlich eine Annahme darstellt, die abgegeben worden und zugegangen ist. S hat zwar nicht ausdrücklich eine Willenserklärung abgegeben, aber aus seinem Handeln lässt sich sein prinzipieller Wille auf Annahme des Angebots von G schließen. Eine konkludente Willenserklärung des S liegt somit vor. Durch die Lieferung gibt S eine Erklärung ab. In dem Augenblick, in dem die Lieferung bei G eintrifft geht sie ihm zu.
Es ist festzustellen, dass die Annahme durch S erfolgt ist.

c. Annahmefähigkeit (Bindung an den Antrag gem. § 145 ff. BGB)
Das Angebot konnte zum Zeitpunkt der Annahme angenommen werden.

d. Übereinstimmung
Es ist ferner zu prüfen, ob die Erklärungen der Parteien übereinstimmen. Dafür müssten die Erklärungen von S und G inhaltlich gleich sein und alle wesentlichen Bestandteile des Kaufvertrages beinhalten sowie eindeutig sein.
Hier hat G erklärt, dass der Kaufpreis 10.000 EUR inkl. Transportkosten betragen soll. S berechnet dem G 500,- EUR für den Transport zusätzlich. Damit stimmen die Erklärungen nicht überein.

e. Neues Angebot des S
Die Erklärung des S stellt eine Annahme mit Änderungen dar. Darin könnte ein neues Angebot seitens S gem. § 150 Abs. 2 BGB vorliegen. Das durch S abgegebene neue Angebot kann zum Vertragsschluss führen, wenn seitens G eine Annahme zum richtigen Zeitpunkt gegeben ist und die Erklärungen (neues Angebot und Annahme seitens G) übereinstimmen.

f. Annahme durch G
Durch den Empfang der Möbel könnte eine stillschweigende Annahme durch G vorliegen. Problematisch ist, ob G den Willen hatte, die Möbel zu den von S geforderten Konditionen zu erwerben. Jedenfalls ist aber hier keine Abgabe und kein Zugang gem. § 130 Abs. 1 BGB bei S erfolgt - G hat die Möbel nur in Empfang genommen.
Gem. § 151 BGB (Satz 1) kommt der Vertrag allerdings auch ohne ausdrückliche Annahmeerklärung gegenüber dem Antragenden zustande, wenn dies nach Verkehrssitte oder nach dem Willen des Antragenden nicht notwendig ist. S hat hier die Möbel mit der Rechnung an G geliefert. Damit ist dem Interesse des S genüge getan, wenn G die Lieferung nur noch annimmt ohne S darüber zu informieren. Dadurch ist die Annahme erfolgt.

g. Bindung an den Antrag und Übereinstimmung
Der Antrag des S konnte zum Zeitpunkt der Annahme noch angenommen werden. Die Erklärungen stimmen überein, wenn sie eindeutig sind, sich inhaltlich decken und die wesentlichen Bestandteile des Kaufvertrages beinhalten.
G wollte zwar nicht die Transportkosten extra zahlen, jedoch hat er die Lieferung widerspruchslos in Empfang genommen. Nach dem objektiven Empfängerhorizont bedeutet eine widerspruchslose Annahme einer erwarteten Lieferung ein Einverständnis mit den Lieferbedingungen.


2. Vertragsinhalt

3. Wirksamkeit




E. Lösungshinweise
Es kommt auf die Frage an, zu welchem Zeitpunkt Angebot und zu welchem Annahme erfolgt ist. Welche der Erklärungen als Angebot und welche als Annahme zu werten ist, ist im Wege der Auslegung nach § 133 BGB und § 157 BGB zu ermitteln.



F. Fallabwandlung
Wie wäre der Fall zu bewerten, wenn sich die Parteien über alle wesentlichen Punkte geeinigt hätten und nicht ausdrücklich eine Bestellung per E-Mail vereinbart hätten und G im Anschluss an die mündliche Verhandlung ein Schreiben mit dem o. g. Inhalt verfasst hätte, dem er folgende Formulierung voranstellt: "hiermit das Ergebnis der mündlichen Vereinbarung noch mal zusammenfasst und Folgendes bestätigt: (...)"?

G. Lösung der Fallabwandlung
Es handelt sich hier um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, bei dem der Vertrag bereits abgeschlossen ist. Die schriftliche Fixierung darf grundsätzlich nicht vom mündlich Vereinbarten abweichen und führt nicht etwa zum neuen Vertrag, sondern zur Bestätigung eines bereits geschlossenen Vertrages.
Der Fall des kaufmännischen Bestätigungsschreibens ist nicht mit § 362 Abs. 1 HGB zu verwechseln.





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