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Version [8919]

Dies ist eine alte Version von FallImportverbotUndGATT erstellt von WojciechLisiewicz am 2010-12-02 17:17:53.

 

Fall: Importverbot und GATT


A. Sachverhalt
Im karibischen Inselland Idylien (I) nimmt die industrielle Ausbeutung der Meeresressourcen derart zu, dass Wissenschaftler und Ökologen vollständige Ausrottung der Meeresfauna im großen Umkreis von I befürchten. Im europäischen Land Wohlstandien (W), das traditionell enge Beziehungen zu I unterhält, wird dies mit Sorge betrachtet.

In W entschließt sich die Regierung zu radikalen Schritten gegen I. W sieht sich international zum Einschreiten gegen I verpflichtet, weil ein Großteil der Exporte von I in W konsumiert wird.

W verhängt ein Importverbot von in I gefangenen Meerestieren.

B. Frage
Ist das Importverbot völkerrechtlich zulässig, wenn beide Länder Mitglieder des GATT sind?


C. Musterlösung
Das Importverbot könnte gegen das Völkerrecht verstoßen. Dies ist dann der Fall, wenn ein Völkerrechtssubjekt gegen eine Norm des Völkerrechts verstoßen hat, ohne dass dies völkerrechtlich gerechtfertigt ist. Die beteiligten Staaten sind Völkerrechtssubjekte, so dass hier im Falle des Staates W, welcher die fragliche Maßnahme ergriffen hat, ein Völkerrechtssubjekt vorliegt.

Ein Normverstoß ist gegeben, wenn eine entsprechende Norm des Völkerrechts vorliegt und dieser Verstoß dem handelnden Völkerrechtssubjekt zugerechnet werden kann. Als Norm kommt hier insbesondere Völkervertragsrecht, namentlich das GATT, in Betracht. Ein Verstoß gegen das GATT ist zu bejahen, wenn dieses Abkommen anwendbar ist, eine seiner Regelungen verletzt wurde und dafür im GATT keine Rechtfertigung vorgesehen ist.

Das GATT ist anwendbar, wenn die Beteiligten Staaten - sowohl der, welcher sich auf die Regelungen des GATT beruft, wie auch der, welcher gegen die Regelungen verstoßen haben soll - Parteien dieses Abkommens sind. Laut Sachverhalt sind beider Länder - I und W - Parteien des GATT, weshalb das GATT auch anwendbar ist.

Als verletzte Regelungen des GATT kommen Art. I, Art. III und Art. XI GATT in Betracht.

1. Verstoß gegen Art. I:1 GATT
Das Importverbot könnte gegen das Meistbegünstigungsprinzip gemäß Art. I:1 GATT verstoßen haben. Dafür müsste hier eine unterschiedliche Behandlung von Staaten durch W vorliegen. Dies ist insbesondere dann denkbar, wenn W Importe von Meerestieren aus anderen Ländern zulassen würde, diejenigen aus I jedoch nicht. Dafür fehlen im Sachverhalt allerdings konkrete Anhaltspunkte. Damit kann nicht festgestellt werden, ob das Importverbot gegen Art. I:1 GATT verstößt.

2. Verstoß gegen Art. III GATT
Ein Verstoß gegen Art. III GATT (Inländergleichbehandlung) ist nur dann denkbar, wenn die Ware sich auf dem Markt im betroffenen Staat befindet. Das Importverbot führt jedoch dazu, dass die Waren aus I zum Markt in W gar nicht zugelassen werden. Eine Verletzung des Art. III GATT ist damit ausgeschlossen.


3. Verstoß gegen Art. XI GATT
Das Importverbot könnte das Verbot nichttarifärer Handelsbeschränkungen gem. Art. XI GATT verletzen. Dies ist dann der Fall, wenn eine in Art. XI:1 GATT geregelte Handelsbeschränkung vorliegt und dies nicht ausnahmsweise zulässig ist. Eine Beschränkung i. S. d. Art. XI:1 GATT liegt vor, wenn die staatliche Maßnahme eine sog. nichttarifäre (in der Regel mengenmäßige) Beschränkung darstellt, diese Handelsbeschränkung eine Behinderung des Marktzugangs zur Folge hat und sie dem Staat zuzurechnen ist.

a. Nichttarifäre Beschränkung
Die Maßnahme von W könnte eine nichttarifäre Beschränkung i. S. d. Art. XI:1 GATT darstellen. Dies ist dann der Fall, wenn ein Kontingent, eine Ein- oder Ausfuhrlizenz bzw. eine andere, vergleichbare - andere als Steuern und Abgaben - Maßnahme vorliegt.
Mit dem Importverbot liegt eine Kontingentierung auf die Menge "0" vor. Damit ist ein Importverbot auch eine mengenmäßige und damit nichttarifäre Beschränkung i. S. d. Art. XI:1 GATT.

b. Behinderung des Marktzugangs
Die Maßnahme müsste auch den Marktzugang verhindern, was in rein formaler Hinsicht denkbar ist, aber auch im Falle einer an sich nicht verbindlichen Maßnahme vorkommt oder durch eine de facto Einflussnahme auf den Handel.
Ein Importverbot hindert den Importeur schon formal daran, Waren nach W zu verbringen, womit auch eine Behinderung des Marktzugangs gegeben ist.

c. Dem Staat zurechenbar
Das Importverbot wurde durch W selbst verhängt, wodurch das dem Staat W auch zuzurechnen ist.

Zwischenergebnis: Eine Beschränkung i. S. d. Art. XI:1 GATT liegt vor.

Zu prüfen ist ferner, ob die Maßnahme ausnahmsweise zulässig ist. Eine Ausnahme liegt vor, wenn insbesondere ein Fall des Art. XI:2 GATT oder des Art. XII gegeben ist. In Betracht kommt hier der Schutz der Landwirtschaft oder Fischerei in W in Betracht, weil Fischereiprodukte betroffen sind. Die in Art. XI:2 c) GATT genannte Ausnahme greift allerdings nur, wenn dadurch die eigene Landwirtschaft oder Fischerei geschützt werden soll (Art. XI:2 c) i)-iii) GATT). Im Sachverhalt fehlen aber Anhaltspunkte dafür, dass durch das Importverbot inländische Fischerei unterstützt werden soll. Es geht allein darum, die Ausbeutung der Umwelt rund um I zu verhindern. Damit kann die Maßnahme nicht gem. Art. XI:2 GATT zulässig sein. Andere Ausnahmetatbestände kommen nicht in Betracht. Damit ist die Maßnahme auch nicht durch die Ausnahmen von Art. XI GATT gedeckt.

d. Zwischenergebnis zu Art. XI GATT
Das Importverbot stellt eine Verletzung des Art. XI GATT vor.

4. Rechtfertigung
Eine Verletzung des Art. XI GATT muss nicht zwangsläufig zu einem Verstoß gegen das GATT führen, wenn die jeweilige Maßnahme ausnahmsweise gerechtfertigt ist. In Betracht kommt hier eine Rechtfertigung gem. Art. XX GATT. Eine Rechtfertigung der Maßnahme nach dieser Regelung ist möglich, wenn eines der in Art. XX a)-j) GATT genannten Gründe vorliegt und die Maßnahme keine willkürliche Ungleichbehandlung oder verschleierte Handelsbeschränkung darstellt. Teilweise wird auch gefordert, dass eine Verbindung zwischen dem einschlägigen, in Art. XX GATT genannten Grund bzw. Rechtsgut mit dem Territorium desjenigen Landes gegeben sein muss, welches eine (an sich verbotene) Maßnahme ergreift. Andernfalls wäre das Souveränitätsprinzip bzw. das völkerrechtliche Interventionsverbot verletzt.

Hier könnten zunächst als Grund der Maßnahme Art. XX lit. b) und g) in Betracht.

Völkerrechtliche Rechtfertigung ist nicht ersichtlich.







D. Lösungsskizze
vgl. diese Struktur

Das Importverbot ist völkerrechtlich unzulässig, wenn im vorliegenden Fall
- ein Völkerrechtssubjekt durch seine Maßnahme
- gegen eine Norm des Völkerrechts
- ungerechtfertigt verstößt.

Da hier das Land W gehandelt hat und eine völkerrechtliche Rechtfertigung für dieses Handeln aus dem Sachverhalt nicht ersichtlich ist, kommt es auf die Frage an, ob eine Norm des Völkerrechts verletzt wurde. In Betracht kommen die Regelungen des GATT, weil beide Parteien dem GATT angehören.

Innerhalb des GATT kommt eine Verletzung folgender Regelungen in Betracht:
- Prinzip der Meistbegünstigung - Anhaltspunkte für eine ungleiche Behandlung anderer Länder fehlen allerdings
- Diskriminierungsverbot - das allerdings erst nach Einfuhr anwendbar ist, weshalb ein Einfuhrverbot an diesem Prinzip geprüft werden kann
- Verbot nichttarifärer Beschränkungen (näher zu untersuchen anhand dieser vgl. Struktur).

Neben den speziellen Regelungen betr. das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen ist im vorliegenden Fall zu untersuchen, ob die Maßnahme nicht durch die allgemeinen Ausnahmeregelungen des GATT gerechtfertigt ist, insbesondere durch Art. XX GATT. Details hier.



vgl. auch Fall 12 bei Kunig/Uerpmann-Wittzack, Übungen im Völkerrecht.





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