Fall: Auskunft über die Beitragsreduzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung
A. Sachverhalt
Der selbstständige Unternehmer (U) war seit 2004 bei der Beklagten pflichtversichert und würde sich gerne ab 01. 01. 2010 (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) freiwillig versichern.
Er schickt eine entsprechende Anfrage mit Datum vom 04. 12. 2009 an die zuständige Krankenversicherung. Diese schickt ihm am 20. 12. 2009 die notwendigen, auszufüllenden Unterlagen, die der Unternehmer U bereits mit Schreiben vom 29. 12. 2009 ausgefüllt an die Krankenkasse zurückschickt. Das Schreiben geht dort am 07. 01. 2010 ein.
Im Februar erfährt der Unternehmer U, dass die Möglichkeit einer Reduzierung des Entgelts (§ 240 Abs. 4 S. 2 SGB V) besteht und stellt mit Datum vom 10. 02. 2010 den Antrag, der noch im Februar bei der Behörde eingeht. Daraufhin wird ihm mit Bescheid vom 01 .03. 2010 die Beitragsreduzierung gewährt. U möchte jedoch bereits ab 01. 01. 2010 die Reduzierung erhalten.
B. Fragen
1) Welcher Rechtsbefehl ist statthaft?
2) Ist der Rechtsbefehl begründet?
C. Lösungshinweise
1. Lösung zu 1.: Welcher Rechtsbehelf ist statthaft?
Im konkreten Fall könnte der Widerspruch gem. § 40 VwGO als statthafter Rechtsbehelf in Betracht kommen. Dies ist dann der Fall, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
- seitens der Krankenkasse liegt ein Verwaltungsakt nach § 31 SGB X vor
- keine Entbehrlichkeit des Widerspruchs
a. Vorliegen eines Verwaltungsaktes (+)
Im vorliegenden Fall könnte seitens der Krankenkasse ein Verwaltungsakt gem. § 31 SGB X vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn die Krankenkasse eine hoheitliche Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalls mit Außenwirkung getroffen hat. Am 10.03.2010 erhält U einen bescheid von seiner Krankenkasse über die Gewährung der Beitragsreduzierung.
b. Keine Entbehrlichkeit des Widerspruchs (+)
Dennoch könnte problematisch sein, ob der Widerspruch nicht entbehrlich ist. Hiervon st dann auszugehen, wenn ein Vorverfahren nach § 68 VwGO nicht zu erfolgen hat. Nach § 69 VwGO beginnt dieses mit der Erhebung des Widerspruchs. Laut Sachverhalt hat U noch keinen Widerspruch erhoben. Demzufolge ist U daran gehalten einen Widerspruch einzulegen, damit ein Vorverfahren durchführbar wird.
2. Lösung zu 2.: Ist der Rechtsbehelf begründet?
a. Anspruch U gegen seine Krankenkasse aus § 240 Abs. 4 S. 6 SGB V
Weiterhin könnte der (noch einzulegende) Widerspruch des U begründet sein. Hierfür ist erforderlich, dass der U einen Anspruch (Rechtsverletzung, § 113 Abs. VwGO) gegen seine Krankenkasse geltend machen kann.
Im vorliegenden Fall könnte sich ein solcher Anspruch aus § 240 Abs. 4 S.6 SGB V ergeben. Dieser Anspruch besteht dann, wenn U einen Nachweis geführt hat und diesen der Krankenkasse vorgelegt hat.
b. Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch des U
Des Weiteren könnte U gegen seine Krankenkasse einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch haben. Dieser ist dann erworben, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Sozialrechtsverhältnis zwischen U und Krankenkasse
- behördliche Pflichtverletzung
- Kausalität zwischen behördlicher Pflichtverletzung und Rechtsnachteil
- Rechtsnachteil
In Anlehnung an den Beschluss vom 22. 08. 2012 des LSG Thüringen, Aktenzeichen: L 6 KR 1914/11 NZB.
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